Neun mehr oder weniger bekannte Wege, eine Jurte zu erwärmen
Man kann eine Jurte im klassischen Sinne „ungeheizt“ nutzen, aber erstens ist dies etwas für Eingefleischte, die entweder ihre eigenen Fähigkeiten und Grenzen ausbauen wollen oder die Grenzen des Ökosystems ernst nehmen. Und zweitens ist eine Jurte, die man nutzt, niemals im engeren Sinne ungeheizt – denn schon der Faktor Körperwärme führt in diesem, in der Regel doch eher kleinen Wohnraum, zumindest in gut gedämmten Jurten zu einem merklichen Unterschied. Und dann ist da ja noch die Strahlungswärme vom Himmel, die sogar mitmischt, wenn keine Heizung und kein Körper in der Jurte weilt. Beginnen wir diese Aufzählung also mit dem in Sachen Heizkraft wichtigsten Faktoren:
Direkte, primäre Sonnenenergie
Anders als in vielen Massivbauten, die in erster Linie durch fossile Brennstoffe geheizt werden, erfährt zumindest eine europäische Jurte den größeren Teil ihrer KW Heizkraft gratis durchs Dach und zum Teil durch die Fenster. Je größer die Kuppel und Glasflächen und je freier und sonniger der Standort, desto stärker der Effekt. So reichen während den sonnenzugewandten 6 Monate oft schon 10° Außentemperatur bei Abwesenheit von Wind, um die Jurte auf über 20° zu heizen. (Auf dem Hochplateau der Anden, auf dem intensive Strahlung und sehr kalte Temperaturen zusammenkommen, müsste man eine Jurte tagsüber vermutlich auch bei wenigen Grad über null nie heizen und dafür sehr oft lüften.) Und wenn man bei uns zum Teil bis weit in den Juni hinein die Heizung des Hauses noch nicht ausschalten kann, dann ist in der Jurte oft schon Anfang Mai Schluss mit selbst dem morgendlichen Heizen – und ab März muss die Wärme an sonnigen Tagen entweichen können. Diese Art der Energie kommt ein bisschen schwerer kontrollierbar daher als eine aktive Heizung, sie bestmöglich zu nutzen macht das Jurtenleben aber schöner, sauberer und heller. Zum Ofen Sonne, von dem 99,9% aller Energie auf dem Planeten stammt, brauchen wir für eine Ganzjahresnutzung in unseren Breiten allerdings ein weiteres Heizsystem.
Stückholzöfen
Dies ist – zeigt die Erfahrung – zumeist ein Stückholzofen. Denn zwar hat dieses System unter anderem in dicht besiedelten Gebieten seine Limitationen, aber Jurten stehen meist sehr weit in der Natur und wenn der Ofen sorgsam aufgebaut und betrieben ist, dann fällt die Ökobilanz der klassischen Jurtenfeuerstelle auf jeden Fall akzeptabel aus. (Denn natürlich kann man auch eine Jurte ganz ohne Verbrennungsprozesse beheizen, aber dafür braucht es oft viel Technik mit hoher grauer Energie.) Wichtig sind dabei folgende Faktoren: Wie immer eine gute Dämmung von mindestens 10cm, eher 15cm, um grundlegend den Heizbedarf klein zu halten. Ein Ofen, der auch für diesen kleinen Heizbedarf von oft unter 5KW trotzdem gut und sauber läuft und zieht. Trockenes, fein gescheitetes Brennholz und am besten eine Rauchgasnachverbrennung wie bei einem Raketenofen. (Ansonsten ist eine Jurte schnell überheizt.) Mit einem solchen Ofen lassen sich Durchschnittsverbrauchswerte eines deutschen Haushalts in einer Jurte schnell vierteln. Bei so wenig Verbrauch darf man sich dann auch das schöne Knistern gönnen. Außerdem ist die trockene Luft gut gegen Kondenswasser. Erwerb – der Markt ist übervoll mit gebrauchten Öfen – und Betrieb sind günstig, Sicherheitsrisiken kann man gut vorbeugen und der Einbau ist relativ einfach.
Pelletöfen
Gleicher Brennstoff, aber etwas technischer. Dafür kann lässt sich die Jurte per App vorheizen, die Öfen sind sicherer, laufen oft schon auf 2KW und haben einen Lüfter verbaut. Der allerdings auch brummt. Pellets haben den doppelten Fußabdruck wie Stückholz, sind außerdem etwas teurer, von den Öfen gibt es noch nicht sehr viel gebraucht und neu sind sie relativ kostenintesiv. Insgesamt aber trotzdem eine realistische Alternative.
Wärmepumpe
Wir haben diese noch nicht selbst getestet, aber die ersten Eindrücke bei Kunden sind erfolgversprechend. Zwar hat man zwei nicht sehr schöne Apparate voller späterem Elektroschrott, die man auch nicht zu sehr verstecken darf, dafür aber eine ganze Reihe Vorteile: Kein CO2, kein Brandrisiko, auch genehmigungstechnisch keine Probleme mit „Befeuerung“, relativ günstiger Betrieb, eine Luftzirkulation und Steuerbarkeit aus der Distanz. Wir werden das System auf jeden Fall zeitnah selbst testen und dann ausführlicher davon berichten.
Gastherme
Nur am Rande soll die Möglichkeit aushilfsmäßig mit einer Gastherme zu heizen, erwähnt werden. Für den temporären Einsatz, dann aber recht einfach und sicher.
Infrarot
Gleiches gilt im Grunde auch für Strom Infrarotheizungen. Sie sind heillos unökologisch und außerdem teuer, aber einfach, sicher und variabel. Und dadurch ergibt sich auch ihre Berechtigungen in manchen Situationen und Nutzungen. Zum Beispiel kann man damit ganz elegant wirklich kleine, gut gedämmte 3m und 4m-Jurten, in denen auch wegen Platzmangel kein Ofen verbaut werden soll, zwischendurch schnell warm machen. Es ist möglich, Schlafjurten auch den ganzen Winter durch kalt zu verwenden und wenn es dann doch mal etwas wärmer sein soll, reicht oft eine KWh und in der Jurte herrschen 20°. Außerdem kann man Infrarotmatten, die eigentlich für Fußbodenheizungen entwickelt wurden, unter einen Sitzteppich oder hinter den Innenhimmel legen und hat dann genau dort, wo man es braucht und wohin der Ofen vielleicht nicht so gut heizt, einen warmen Platz.
Humusheizung
Ein weiterer Ansatz, den wir erst zu testen begonnen haben, der aber sehr vielversprechend wirkt, ist Kompostierungswärme. Als Biomeiler außerhalb der Jurte mit einem angeschlossenen Heizsystem innen, aber noch viel lieber direkt im Wohnraum – in einem atmosphärisch abgeschlossenen Thermokomposter mit Entlüftung. Der nach seiner aktiven Zeit beste Humuserde für den Garten spendet. Wer sich da auskennt, bitte melden!
Erdwärme und Kühle
Abschließend ein wichtiger Überlebensfaktor in traditionellen Jurten. Der ca. 8° warme Boden. Das ist zwar keine Wohlfühltemperatur, aber ein guter Frostschutz. Außerdem schafft direkter, atmosphärischer Zugang zum Erdreich ein sehr gutes Sommerraumklima. Wir testen dieses System aktuell mittels einer Jurte auf einem offenen Terrassenboden, aber es hat sich in Deutschland als zu kalt erwiesen. Bei uns ist es draußen 8 bis 9 Monate kühler als drinnen und da wirken die 8° kontraproduktiv. Eine Weiterentwicklung dieses Ansatzes wäre allerdings beispielsweise ein über die Hälfte der Jurte offener Boden, der zugleich Zugang zu Stauraum im „Keller“ geben könnte und in der kalten Jahreszeit mit einer Dämmschicht abgedeckt würde. Dann hätte man das Beste aus beiden Welten: der „bodenlos“-traditionellen und der modernen.
Körperwärme
Zuletzt noch einmal ein Aufruf zum Kuscheln. Unsere Vorfahren überlebten die Eiszeit weder am Lagerfeuer noch unter der Wärmepumpe, sondern ganz eng umschlungen. Unser Energiebedarf seitdem ist von 4000kcal/Tag auf weit über 200.000kcal/Tag gestiegen. Körperwärme ist noch immer die in allen Belangen schönste und raffinierteste Energiequelle und sie lässt sich am leichtesten direkt am Körper einfangen. Egal wie gut gedämmt die Jurte ist, egal wie gut der Ofen läuft, zu einem Jurtenwinter gehören ein dicker Pulli, Wollsocken und am besten warme Mitbewohner.









