Erste Inseln aus Blumen in einem Meer aus Garten.

Wir hatten ja schon immer einmal den Gedanken, dass in einer Welt, gebeutelt von der Klimakrise, von Kriegen, Knappheit und in die Knie gehenden Zivilisationen wir vermutlich noch verhältnismäßig gut dastehen würden. Bzw. eher unsere Kinder. Katastrophen, die wir für die zweite Hälfte des Jahrhunderts erwarten. Vor allem für 2100 und darüber hinaus.

Wochen später ist es plötzlich Realität.

Obwohl in unserem Umfeld kein einziger Risikopatient lebt, sollen wir unser Leben einstellen. Obwohl nach Monaten der Stürme, der Nässe und des Schlamms endlich der Frühling kommt, soll Deutschland ihn vor den Bildschirmen und hinter Gardinen verbringen. Den Sommer vermutlich noch obendrauf. Und was wir jetzt einbremsen, kommt dann im Herbst und Winter zurück. Mit geballter Wucht.

Wir müssen da durch, aber wir haben schreckliche Angst davor.

Zwei Jahre wird es wohl in etwa dauern.

Gruselige Aussichten. Gruselig noch mehr, da die Krisen der Zukunft wohl in einer ganz anderen Gewichtsklasse anzusiedeln sein werden.

Sehen wir den Notstand jetzt also einfach als Training. Wir sind eigentlich bereits recht gut aufgestellt im Garten Eden. In einer Wohngemeinschaft mit zwei Familien zu leben, beugt Langeweile und Einsamkeit vor. Vor allem wenn die Ausgangssperren kommen. 2,5ha Land, einen riesigen Garten, wenn alles gut geht demnächst einen Badeteich, eine Boulderwand, Blumen, Blüten, Sonne und inzwischen reichlich Haustiere. Wer würde sich ein anderes Gefängnis wünschen?

Frühjahrssonne im „Schulzimmer“.

Homeschooling ist zwar etwas mühsam, aber jeden Morgen Kinder vorbereiten, in die Kita bringen, usw. ist natürlich stressiger als die erste Woche des Jahres mit Sonnenfrühstück auf der Terrasse. Zwischendrin ein paar Arbeitsblätter, eine halbe Stunde lesen gegen eine halbe Stunde fernsehen. That’s the deal.

Sind die konkreten Lernziele der zweiten Klasse wichtiger als das Erlernen des Krisenmodus? In diesem Fall stellt beides zum Glück keinen Widerspruch dar.

Die ersten Kinder in der Nachbarschaft dürfen nicht mehr raus zum Spielen, der Spielplatz direkt vor unserer Tür ist mit Absperrband eingewickelt. Sport an privaten Sportanlagen ist eigentlich verboten. Darf ich noch an meiner Wand bouldern?

Darf ich noch zum Klettern in die Fränkische?

Am Schneiderloch habe ich in einem Jahr hier fast noch nie jemanden angetroffen, geht das dann deshalb. Oder kommt es längst viel mehr auf die Form als auf den Sinn an?

Was wenn die Supermärkte schließen? Für diesen Krisenmodus sind wir noch nicht gerüstet, so viel muss zugegeben werden. Die Tomatenpflanzen sind erst drei Zentimeter hoch, im Garten wächst um diese Zeit fast am allerwenigsten. Aber ca. 5 Eier pro Tag sind schon einmal eine Grundlage. Einen Hahn können wir noch schlachten. Zwei Ziegen und ebenso viele Schafe. Melken wäre eine Option, sobald sie lammen. Was die Tage geschehen dürfte. Aber Miniziegen (man kennt sie aus dem Streichelzoo) geben wenig Milch. Da müssen dringend zwei Milchziegen dazu! Und ein paar Legehennen mehr. Kartoffeln natürlich. Dann gewinnt die Sache mit der Autarkie Gestalt.

Für den Fall, dass demnächst aus irgendeinem Tier- wie Menschen verachtenden Viehmarkt ein Virus emergiert (ich weiß, am „Anfang“ der Kette stand eine Fledermaus), dessen Mortalität auch tatsächlich höher als die der gewöhnlichen Grippe ist. Denn darauf deuten immer mehr Zahlen hin. Nur ist Corona eben neu und die Immunität inexistent. Aber alle paar Jahre rafft auch die herkömmliche Grippe über 20.000 Menschen in Deutschland dahin. 4000 sterben in China pro Tag an der schlechten Luft aus Verkehr und Fabriken. Erst Corona linderte diesen Umstand für eine kurze Zeit.

Wenn es um das Überleben unserer Kinder, Enkel und Urenkel geht (v.a. bei Klima- und Artenschutz) sind auch nur kleinste Veränderungen in der Routine der Bürger eine immense Hürde, die in aller Regel gerissen wird. Geht es um das Wohl unserer Großeltern – eine gewichtige Wählergruppe und die zentrale Alterskohorte von Spitzenpolitikern – liegen innerhalb von Wochen Maßnahmen auf dem Tisch, die es seit dem Krieg nicht mehr gegeben hat und die eigentlich für den Krieg in die Gesetze geschrieben wurden.

Wie war das noch einmal mit der Gerontokratie?

Nicht, dass ich schimpfen wollte. Diese Krise stört mich nicht. So wie auch die letzte vor gut zehn Jahren nicht. Zusammenzustehen ist eine wichtige Erfahrung, die wir nicht verlernen sollten. Wir (natürlich außer Jeanne, denn sie ist ja Ärztin) lassen uns auch gerne ganz hier einsperren. Die einzige Decke, die uns auf den Kopf fallen kann, ist endlich blau und zwischenzeitlich sogar recht warm geworden.

Aber wir sollten uns trotzdem fragen, ob die Angst, die wir gerade in uns allen erblühen lassen, tatsächlich eine Basis für die Zukunft ist. Die Influenza 1918 jagte den Menschen nicht annähernd so viel davon ein. Bei 50 Millionen viel jüngeren Toten weltweit. (Sterben war man allerdings nach dem Krieg leidlich gewohnt.)

Dass Depression und Angststörung zur Zeit zur globalen Belastung Nummer zwei werden (nach mittels mangelnder Bewegung und „Klöckner-Essen“ rasant steigender Herz-Kreislauf-Krankheiten) ist keine seelenlose Zahl. Sie hat Zähne und die zeigt sie.

Quarantäne hinterlässt vor allem bei Kindern nicht selten eine posttraumatische Belastungsdepression.

In immer weiter unter der Klimakrise alternden Gesellschaften werden Zustände wie jetzt in Italien irgendwann ohnehin an der Tagesordnung sein. Eine Endversorgung, wie wir sie heute für unabdingbar halten, werden wir schon in naher Zukunft nicht mehr leisten können.

Die Würde des letzten Lebensjahrs (auf das ca. 50% der Gesundheitskosten entfallen) wird nicht unantastbar bleiben können.

Vielleicht sollten wir versuchen unsere Leben so aufzubauen, dass sie nicht nur krisenresilienter sind (autark in Sinn und Versorgung), sondern dass der Tod darin auch einen würdevollen Platz bekommt. Leben ist kein Synonym für bloß-nicht-sterben-Wollen. Leben ist schön – und irgendwann zu Ende.

Der Garten Eden ist eine Erfindung aus dem diesseits. Jeder kann ihn sich schaffen.

Und gerade blühen die ersten Bäume darin.

Der erste blühende Baum des Gartens.

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