Südseitige Terrassen eigenen sich nicht nur zum Trocknen des Gefieders...

Ein kleines Jurtenmanual

 

Jurtenwohnen und seine Besonderheiten

 

Eure Jurte steht oder es steht zumindest die Entscheidung an, ob ihr ein Leben in einer Jurte wählen wollt – oder auch eine andere Nutzung anstrebt. Fest steht: es wird vieles anders werden – Leichter Leben bedeutet nicht nur seinen Fußabdruck zu verkleinern, hautnah an Wetter und Natur wohnend zu meditieren, im Licht zu schwelgen oder sich vom eigenen Wohnraum entschleunigen zu lassen. Zu all diesen Privilegien gesellen sich auch einige Herausforderungen, Besonderheiten oder schlicht verschiedene Optionen zwischen denen es zu wählen gilt.

 

Der Kälte begegnen

Nicht nur die Sonne oder je nach Bauweise auch das Erdreich wärmen eine Jurte durchs ganze Jahr – es bedarf während der Wintermonate und darum herum teils auch in der Früh einer oder mehrerer zusätzlicher Wärmequellen. (Für den Komfort der Bewohner – die Jurte darf im Winter aber abgesehen von natürlich den Wasserleitungen, auch durchfrieren.)

Körperwärme/Infrarot: Gesetzt sind beim Wohnen ja stets unsere eigenen Körper und die unserer anderen warmblütigen Mitbewohner. Wir strahlen vor allem im Infrarotbereich pro Masseeinheit 16000mal stärker als ein Stern. Und nichts uns im Universum Bekanntes strahlt auch nur annähernd so stark. Hätte das Licht einen Plan für das Sein – wir wären eine herausragende Blüte dieses Strebens. Häusern gleich macht dieser Faktor Körperwärme bei größeren oder dünn gedämmten Jurten kaum einen spürbaren Unterschied. Bei 4m und speziell 3m-Jurten mit 15cm+ Dämmung reicht eine schlafende Familie, um auch in einer Winternacht den Raum auf über zehn Grad zu halten. Ohne die Jurte zuvor beheizt zu haben, wohlgemerkt. Addiert man zur Dämmung noch Thermovorhänge vor allen Fenstern und Idealerweise auch im Kranz unter der Kuppel und bezieht den Umstand mit ein, dass in einer Jurte ja kaum Masse erwärmt wird, bevor die dämmende Schicht kommt, dann reichen in dieser Art Jurten bereits Kerzen oder ein Tee auf einem Kocher, um die Temperatur merklich zu steigern. Es ist also auch nicht unmöglich, ein solches Zelt per Infrarot zu heizen. Oder auch einer Humusheizung. Je kleiner das Volumen, größer die Fensterflächen und vor allem die Kuppel und je besser die Dämmung, desto einfacher wird logischerweise die Beheizung.

Stückholz: Ab der 5m oder 6m-Jurte dann allerdings machen die oben genannten Lösungen auch bei guter Dämmung nur noch begrenzt Sinn und können im Winter höchstens unterstützend wirken. Bei Humusheizungen in Jurten bedarf es noch einiger Forschung und natürlich würde eine umlaufende Infrarotmatten-Wandheizung hinter dem Innentuch auch eine große Jurte heizen, aber nicht mehr besonders nachhaltig. Ab diesen mittleren Jurtengrößen bietet sich vor allem Stückholz an. Es ist günstig, unter allen Verbrennungsheizungen die ökologisch verträglichste – zumal auf dem Land – es trocknet die Jurte und ist nun einmal die schönste aller Heizungen. Mit einer konkreten Quelle – keiner diffusen – um die man sich des Winters nach längerer Abwesenheit aus der Jurte oder des Morgens scharen und so zusammen kommen kann, bis die Raumtemperatur nach kurzer Zeit beginnt schnell und merklich zu steigen.

Bei der Wahl des Ofens ist darauf zu achten, dass er auch bei geringer KW-Leistung noch läuft und zieht – Voraussetzungen für einen sauberen Abbrand, einen hohen Wirkungsgrad und eine möglichst geringe Feinstaubemission. Je nach Größe der Jurte und Dämmung reichen aber wenige KW. Viel zu schnell hat man eine Sauna in einer modernen Jurte und muss dann im Winter die Fenster öffnen oder verliert zumindest exponentiell mehr Wärme nach außen. Als ideal haben sich Raketenöfen mit Rauchgasnachverbrennung und geringen Abgastemperaturen erwiesen. Sie sind allerdings teuer und haben oft keine Innenraumzulassung. Wir experimentieren zudem mit Zeltöfen.

 

Der Hitze vorbeugen  

Luftzirkulation: Mit der Heizung ist der in unseren Breiten wichtigste Aspekt des Lebens in einer Jurte bedient. Drei Viertel des Jahres ist es draußen im Schnitt kälter, als man es drinnen haben möchte. Den Rest des Jahres kann sich dieses Verhältnis leicht umkehren – zumal die Jurte ja die Energie erst gebündelt aufnimmt und dann nur zögerlich wieder abgibt. Im Hochsommer könnte man eine Jurte auf diese Weise vermutlich ähnlich einem Auto Richtung 50° aufheizen – nur ist das ja nicht das Ziel. Vielmehr gilt es in einer Jurte, in der die Luft zwischen mindestens zwei, besser drei Öffnungen zirkulieren kann, die 30° nicht zu überschreiten. Dann wird es nicht unangenehm, zumal sich die Jurte nachts viel schneller abkühlt als ein Haus mit Mauern. Je nach Standort, Kuppelgröße, Dämmung, usw. kann man die Kuppel zwischen Juni und September getrost auch dauerhaft ausstellen – auch um die Insekten entkommen zu lassen. Oder man verfügt über eine Kurbel mit der sich das Temperaturmanagement noch präziser einstellen lässt. In der Übergangsjahreszeit wird es an sonnigen Tagen bei noch nicht ausgestellter Kuppel sicher notwendig sein, ein Fenster zu öffnen, schließt man dieses aber taktisch klug am Nachmittag, wärmt sich die Jurte noch einmal richtig auf, bevor es in die kalten Frühjahrs- oder langen Herbstnächte geht. Man spart sich auf diese Weise das abendliche Anschüren des Ofens. Für den Ofen eignen sich im Übrigen Ofenventilatoren, vor allem wenn er bei größeren Jurten etwas seitlich steht, um die warme Luft im Raum zu verteilen.

Sonne abschirmen: Eine weitere Technik gegen zu viel Wärme durch Sonnenenergie ist ein Segel, das mit je zwei Leinen von beiden Seiten her außen über die Kuppel gezogen wird. Dieses Patch könnte man gedämmt im Grunde auch im Winter gegen den Wärmeverlust durch die Mitte des Daches einsetzen. Zusätzlich können auch die Ränder der Jurte von unten hochgerollt werden. Dafür muss allerdings der Bodenspanngurt angehoben werden.

 

Feuchtigkeit

In unseren Breiten hat der gemeine Jurtenbewohner mit den oben genannten Problemen aber eher am Rande zu tun. Etwas anderes ist die winterliche Feuchte, wenn viele Menschen in der Jurte atmen, kochen und am besten noch die Wäsche trocknen. In einer solchen Konstellation ist ein Ofen fast unumgänglich. Ungeheizte Jurten können zum Schlafen bei entsprechender Ausrüstung natürlich ohne weiteres ganzjährig genutzt werden und es friert in diesen auch quasi nie – nur werden die Bettsachen bei Nebelwetter ein bisschen klamm. Da macht es Sinn, den Schlafsack eingepackt zu haben oder tagsüber an einem weniger feuchten Ort zu lagern. Zwar atmen unsere Regentücher die Feuchtigkeit nach draußen, aber in einem oben genannten Szenario kondensiert natürlich trotzdem ein Teil davon an der Regenhaut. Werden im Jurtenbau nicht atmende Planen verwendet, müssen diese zwingend unterlüftet werden. Aktuell kann es bei bestimmten Wetterlagen im Winter und einer intensiven Nutzung der Jurte aber dazu kommen, dass Kondenswasser sich sammelt, gebündelt abfließt und am Innenhimmel sichtbar wird. Dies ist technisch vollkommen folgenlos, kann aber je nach Gemüt und Grad an Perfektionismus zu psychischen Stresssituationen führen. (Zwar kann man die überschüssige Raumfeuchte nicht wegatmen, wohl aber die innere Anspannung.)

Wir arbeiten an einer einfachen Unterlüftungsmodalität.

 

Schall

Eine Jurte ist kein Haus, ein Rest Schall durchdringt ihre Wand, egal wie dick gedämmt sie ist. Dafür hallt sie aber auch nicht und man könnte aus dem Stand ein Studioalbum darin aufnehmen.

Wichtig ist hier vor allem die Planung. Nicht zu nah an Straßen stehen, die Hauptwindrichtung berücksichtigen, andere Tageszeiten und Jahreszeiten imaginieren (Landwirtschaft, Belaubung, usw.). Der Rest kann dann nur noch durch Schließen der Fenster und der Kuppel, sowie durch Soundshaping abgefangen bzw. übertönt werden.

 

 

Instandhaltung der Jurte

Haltbarkeit der einzelnen Teile

Wie oben bereits erwähnt, sollte das Außentuch vier bis fünf Jahre, das Regentuch und die Fenster zehn bis fünfzehn und der Rest, der ja niemals nass wird, bei entsprechender Pflege noch einmal deutlich länger halten. Ähnlich einem Holzhaus.

Feuchtigkeit

Feuchte, die durch Kondenswasser entsteht, kann ignoriert werden – vor allem bei Holzbefeuerung. Alles andere Wasser, das irgendwo eindringt, sollte allerdings umgehend auf seine Quelle geprüft werden. Fenster können eine solche Schwachstelle sein, wenn beispielsweise eine Silikonnaht sich löst. Oder die Ofendurchführung. Selten auch ein verrutschtes Tuch. „Sei wie das Wasser“ ist eine gute Handhabe, um Probleme mit diesem Element zu verstehen und zu lösen.

Pflege

Außer dem Wechseln des AT (Außentuches) und dann irgendwann einzelner Hölzer an den Fenstern und des RT (Regentuches), gilt es bei Bedarf den Boden abzuschleifen und neu einzulassen und gegebenenfalls die Fenster nachzusilikonieren und oder neu einzulassen. Sollte innen am IT Verunreinigungen entstehen, die sich nicht reinigen lassen, ohne alles abzubauen, dann gibt es immer die Möglichkeit, diese mit einem Patch aus der Baumwolle des IT (Innentuches) zu kaschieren.

Reparaturen

Ein großer Vorteil der Jurte ist, dass bei jedem Auf- und Abbau jedes Teil auf evtl. Schäden überprüft werden kann und alles einfach zu reparieren ist. Sollte sich z.B. tatsächlich einmal der uns noch nicht begegnete Fall eintreten, dass ein Nagetier es sich im Boden gemütlich macht, dann könnte jetzt die schadhafte Dämmung ersetzt und das Loch per Klimatape wieder verschlossen werden. Arbeitszeit zwei Minuten.

 

Extremwetterprophylaxe

 Sturmsicherung

Eine Sturmsicherung sollte immer verbaut sein oder zumindest bereit liegen, um bei dementsprechender Wetterwarnung schnell über die Jurte gezogen werden zu können. Wer windexponiert in windigen Gegenden steht, kann auch von vornherein weitere Bodenanker schaffen, in die man bei Gefahr noch einmal zwei zusätzliche Schwerlastenspanngurte einhängen kann. In einem solchen Fall darf auch mehr Spannung in die Gurte gelegt werden. Was sonst auf Dauer möglicherweise Wasserabfluss und Dämmung beeinträchtigen würde, ist für eine begrenzte Zeit kein Problem.

Bei Wind und in Abwesenheit sollten generell vor allem alle Fenster nach Westen verschlossen werden und bei starkem Wind die Kuppel direkt auf den Kranz gesetzt und fest verzurrt werden. Mongolische Familien hängen sich hier an den Kranz. Das ist bei unseren sehr robusten und nicht gerade leichten Jurten nicht vonnöten. Auch bei Sturm können die Schneestützen eingesetzt werden.

Schneesicherung

Die oben genannten Pfeiler sind ein guter Schutz zusätzlich zum Abschneien der Jurte, das wir wärmstens ab 15cm bis 20cm Nassschnee empfehlen. Hierfür braucht es je nach Standort eine Leiter und z.B. einen langen Rechen oder einen selbst gebauten Schneeschieber- bzw. Zieher. Unsere Dächer entsprechen den Schneelastnormen der allermeisten Gebiete des Landes, nicht aber den erhöhten Lagen im Alpenvorland. Auch können wir den Schnee bei unserer Dämmung und den recht flachen Dächern wie bei Gers nicht per Wärme von innen vom Dach schmelzen, wie das bei Jurten mit dünner Dämmung möglich ist. Nicht nur einmal konnte ich beobachten, wie der Schnee auf den beheizten Jurten erst nach dem auf der Wiese außen herum schmolz.

Extremwetterschäden

Gegen höhere, menschengemachte Gewalt wie u.a. aus der Klimakatastrophe resultierenden Extremwetter ist niemand gefeit. Auch keine Jurte. Gegen Hagel ist die Kuppel sehr widerstandfähig und der Rest natürlich auch. Nichtsdestotrotz wird es irgendwann einmal eine davon zerschlagen. Weil, die Geschosse des Himmels werden ja die nächsten paar Tausend Jahre immer größer.

Wenn bei Sturm ein Teil Schaden nimmt, dann zuerst das AT. Dieses kann natürlich nach Belieben vor Ort per Hand oder am Boden per Maschine wieder zusammengenäht werden. Auch unsere RT können selbst wieder verklebt werden, sollte sich das Klimatape mit 100 Jahren Klebegarantie doch einmal lösen.

Verschleiß und Ersatz von Verschleißteilen

Zwar versuchen wir, die oben genannten Haltbarkeiten immer weiter zu verlängern, nichtsdestotrotz hat alles irgendwann ein Ende oder erlebt eine Transformation. AT können entweder bei uns nachbestellt oder nach unseren oder eigenen Plänen selbst angefertigt werden. Gleiches gilt natürlich auch für alle anderen Teile.