Was selbst eingefleischte Ökoanhänger gerne für unmöglich einstufen, haben wir uns fürs neue Jahr vorgenommen – als Familie nicht mehr als 8t CO2 in 2020 zu emittieren.
Die IDEE
Kein Kerosin, kein Kohlestrom, keine Kuhprodukte, kein Fleisch, wenig Autokilometer, kaum neue Produkte und sanftes Wohnen. Das sind die Eckpfeiler des Vorhabens, denn größer klaffte die Lücke zwischen praktiziertem Ist und anerkanntem Soll einer Gesellschaft wohl nie. 11t vs. 2t bzw. eigentlich nur einer Tonne CO2/Kopf/Jahr für Deutschland. (Und ein ähnliches Verhältnis beim ökologischen Fußabdruck.) Noch schlimmer oder nicht viel besser sieht es aus für den Rest der industrialisierten Welt.
Da braucht es Ideen.
Hier wäre eine.
Die „HÄRTEN“
Wichtig dabei immer die strategische Planung zur Umschiffung der meisten Faktoren, die viele Medien gerne „Härten“ nennen. Denn zum hart sein sind wir leider viel zu weich und vor allem viel zu erschöpft. Auch ich sitze in diesem Augenblick mit einer Decke über den Füßen auf einem weichen Sofa, Blick über den Ofen in den Schnee und könnte mir auch eine Tasse Tee dazu vorstellen. (Das mit dem härter Sein in einem materiellen Sinne geht wohl leider erst wieder nach dem nächsten großen Kollaps – leider dann auch zusammen mit sozialer Härte.)
Zunächst einmal eine Übersicht über unsere die bislang erlebten Härten, damit auch dem industrialisierten Leser nicht gleich angst und bange wird (und er Mut zum Weiterlesen finden möge):
- Nicht in den Urlaub fliegen (überleben 80% der Weltbevölkerung auch noch heute jeden Tag aufs Neue).
- Nicht Toilette spülen, sondern Sägespäne über die Hinterlassenschaften streuen und diesen Behälter alle zwei bis drei Wochen auf den Spezial-Kompost kippen. (Aber es gibt sicher auch Menschen, die sich ein Leben ohne eines dieser WCs, die einem die Genitalien abspritzen, nicht vorzustellen vermögen.)
- Zumindest im Winter Wasser zum Spülen mit dem Fuß pumpen, statt es einfach in den Abfluss laufen zu lassen. (Ab dem Frühjahr, wenn die Dürre wieder kommt, könn(t)en wir wieder verschwenden wie eh und je.)
- Einheizen, damit es warm ist in der Früh. Und auch sonst. Und, solange der Ofen anläuft, Temperaturen tolerieren, die im härtesten aller Fälle tatsächlich für Minuten unter der kritischen zehn-Grad-Marke liegen können, unter der häusliches Leben seit zwei Generationen definitiv nicht mehr möglich zu sein scheint. (Kritisch ist vor allem der Moment des Öffnens der Ofentür – wenn man da festfriert und nicht mehr zum Holzkorb kommt…)
- Laufen, um zum Auto (i.d.R. Fahrrad) zu kommen. Zu Fuß. (Absurd, wenn man bedenkt, dass es noch so viel Erdöl gibt, um die eigenen Füße zu schonen.)
- Sich waschen, wenn man keine Lust hat, zur Dusche im Haus zu laufen. Mit einem Waschlappen. (Ich habe sogar schon einmal mit diesem Wasser noch den Boden gewischt – bin ich jetzt ein hoffnungsloser Freak?)
- Autofahrten ein bisschen planen und wenn möglich vermeiden.
- Besucher mit dem eigenen Wunsch konfrontieren, sie mögen doch bitte mit der Bahn kommen. (Und sich so potenziell unmöglich machen.)
- Beim Einkaufen die Augen öffnen.
Soweit zu den Härten, die so zu nennen, ich mich ein bisschen schäme, weil schließlich der ganz überwältigend große Großteil aller jemals dagewesenen Menschen mit ganz anderen Härten zu kämpfen hatte. Und weil ich es viel schlimmer finde, den ganzen Tag am Rechner zu sitzen, als alle paar Wochen das Kompostklo meiner Familie auszuleeren. (Ganz zu schweigen davon, eine mystische Kraft – manche nennen sie innere Leere oder schlichtweg Langeweile – würde mich zwingen, den halben Tag auf Instagram rumzudaddeln.)
Der PLAN
Kommen wir zum Plan (der bereits fast zum Scheitern verurteilt ist, da meine Partnerin für ein Yoga-Teaching einen Monat nach Indien geflogen ist):
Ich stelle hier die Zahlen für vier Köpfe vor. Hätten wir keine 2,3t CO2 Indien und zurück einzubilanzieren, wäre die Sache leichter. Der Flug ist natürlich kompensiert, so wie auch die PKW-km, und auch ist Kompensieren besser als einfach nur so Fliegen, gleichzeitig handelt es sich um einen kolossalen Selbstbetrug: Um unsere Emissionen zu kompensieren, müssten wie ganze Kontinente aufforsten. Mit jeder Tonne CO2 verlieren wir aber mittel- und langfristig potenzielle Waldflächen.
MOBILTÄT
12.000 Jahreskilometer mit dem nurmehr einzigen Auto, das wir noch haben, ergeben 1700kg CO2.
Weil noch nicht ganz klar ist, ob wir das schaffen, lasse ich lieber 2t Platz in der Bilanz. Wir leben an einem Ort, an den ein Bus zwei Mal am Tag nur fährt, wenn man den Fahrer darum bittet. Dafür muss man aber im Bus sitzen. Wegzukommen mit ÖPVN ist also fast unmöglich. Auch sind wir als Ärztin mit 12km Arbeitsweg und freiberuflicher Kletterer/Fotograf/ Vortragender/Jurtenbauer mit zumindest noch einem Kindergartenkind eigentlich beide auf ein Auto angewiesen. Wir würden auch auf jeden Fall zwei Autos verwenden, hätten wir nicht eins verkauft. (Der effizienteste Weg das Verhalten zu verändern, ist Fakten zu schaffen. Und dann Fahrrad zu fahren.)
STROM
Beim Strom geht es weiter mit dem Selbstbetrug. ICE-fahren soll klimaneutral sein? Bei unserem Strommix? Der Nahverkehr der Bahn wird durch dieses Rechenspiel nur umso schmutziger und dem Auto fast schon unterlegen. Wer Ökostrom von einem Anbieter bezieht, der nicht aktiv erneuerbare Energien ausbaut, kann gleich bei RWE bleiben.
Sicher nachhaltig ist nur Reduktion. 5000kwh sind hier der 4-Personen-Schnitt. Im letzten halben Jahr waren es bei uns 244kwh. (Die Hälfte davon der eigenwillig aufheizende Warmwasserboiler im Haus, den wir kaum bis gar nicht nutzen. Ich habe ihm letztendlich den Stecker gezogen.) Eine Reduktion um Faktor zehn scheint realistisch, obwohl niemand bei uns Strom spart. Der afrikanische Kühlschrank zahlt sich hier aus, die Abwesenheit einer Kühltruhe und eines XXXL-Flachbildschirms. Gleichzeitig machen wir selbst Sojamilch, backen Brot im Automaten, haben wir eine Waschmaschine und verwende ich für die verschiedensten Bauvorhaben natürlich auch schweres Gerät.
Wir bilanzieren also nicht nur die Herstellung von Konsumgütern mit ein, sondern auch noch einen kompletten Arbeitsplatz.
Hätten wie einen normalen Stromanbieter, entfielen 250kg CO2 auf diesen Posten, so tendiert der Ausstoß gegen null.
HEIZUNG
Gleiches gilt für die Heizung in Form unseres Stückholz-Raketenofens. Hier können wir um Faktor vier bis fünf unter dem Schnitt (24.000kWh) bleiben, haben aber den immensen Vorteil nicht nur der erneuerbaren Brennstoffes, der – wenn nachhaltig bewirtschaftet – sein CO2 auch in Zukunft schon gebunden haben wird. Auch ist Stückholz aus dem Nachbardorf die am wenigsten industrialisierte und herumgefahrene Brennholzform. Die graue Energie also am niedrigsten. Natürlich vor allem auch in Sachen Heizung selbst. Keine 50kg Stahl und zwei 5W Ventilatoren ergeben das System „Ein Ofen für alles“.
Problematischer stellt sich der Feinstaub dar, aber durch die „Rakete“ mit ihrem hohen Wirkungsgrad wegen Nachverbrennung der Rauchgase entweicht davon weniger. Und im ländlichen Bereich ist die Belastung für die (i.d.R. böllernden und Diesel fahrenden) Mitbürger einfach geringer.
100kg stehen für 5000kWh Heizen zu Buche – wahrscheinlich bleiben wir etwas darunter.
WASSER
Beim Wasser, einem Punkt, der in Sachen CO2 vernachlässigbar ist, im Deutschland der Zukunft aber von eklatanter Wichtigkeit sein wird, ist das Sparen noch viel leichter. 1m3 pro Monat setzen wir in etwa um. Das schaffen viele Familien am Tag. Obwohl wir für mein Gefühl nicht gerade wenig Kleider waschen und erst diesen Sommer Regenwasser zum Gießen werden nutzen können, außerdem immer mehr Tiere haben. Abwasser entsteht außerhalb der Waschmaschine quasi gar keines. Spülen, uns waschen und alles andere gestalten wir ohne Tenside (und mit nicht einmal 250ml Spülmittel im Semester) und schicken es durch einen Grauwasserturm – wie auch beim Kühlschrank nach afrikanischem Vorbild. Unten kommt Wasser für die Gartenfläche darunter heraus.
Emissionen im Bereich Wasser entstehen in erster Linie bei der Aufbereitung von Abwasser. Wir binden Kohlenstoff aus unserer Nahrung und geben ihn nach einem Jahr Ablagerung den Pflanzen zurück.
ERNÄHRUNG
Womit wir beim größten Brocken wären. Essen. 1t pro Kopf pro Jahr bei veganem Einkauf. Also wohl die Hälfte pro Kind. Ganz vegan ist unser Einkauf allerdings nicht, vor allem auch den Kinder wegen kaufe ich Schafs- und Ziegenkäse. Kuh wurde gestrichen. Eier haben wir selbst im Überfluss. Außerdem Honig. Bio, regional, saisonal, möglichst wenig verpackt – sollte alles Standard sein und bessert die Bilanz noch einmal auf. Außerdem ist der finale Abdruck von Veganern im Vergleich zu herkömmlichen Schnitzeljägern und Scheiblettensammlern nicht nur um den Faktor drei geringer, sondern wird noch einmal erhöht durch die positiven Effekte freiwerdender Anbaufläche. Die kann man aufforsten oder anderweitig für den Artenschutz gebrauchen (also in der post-CSU Ära, die kommen wird). Das Saatgut für den Sommer steht bereit – und wer ohne den Einsatz von Maschinen sein eigenes Essen herstellt, bindet auf diesem Wege CO2.
Aber das rechnen wir mal alles nicht und schreiben 3t auf.
FAZIT
Mit dem Flug nähern wir uns also bereits den 8t für uns vier. Alle Bahnfahrten, Neukäufe jenseits des Essensektors und natürlich auch „geschenkte“ Sponsorenleistungen, die ich besser mal komplett streiche, müssen folglich in die letzte Tonne passen. Da kann man sich also schon mal merken: Nur gebraucht einkaufen! Und auch ob es dann funktioniert haben wird, kann man nie genau wissen.
Ist auch ein bisschen egal. Allein rettet hier ohnehin niemand irgendetwas und schließlich geht es um Ideen, wie gelebte Nachhaltigkeit spannend und erfüllend gestaltet werden kann und Sinn stiftet. Gewissermaßen „glücklicherweise“ kann man da die Zerstörungswirtschaft der Gegenwart nämlich packen: Bei der Freude. Die ist mit der Zerstörung kaum positiv assoziiert – vor allem die überalten westlichen Gesellschaften erscheinen geradezu freudlos – gestützt wird dieser Eindruck durch die Daten zum Ausverkauf unserer psychischen Gesundheit. Depressionen übernehmen gerade die Nummer zwei der global burdens – gleich hinter den Ergebnissen von schlecht Essen, körperlos leben und fett werden: Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Unser Raubbau an der Zukunft macht uns schon heute indirekt krank und wird es in Zukunft immer direkter tun.
„Egal“ ist, was wir vier hier im Detail machen, außerdem, weil das Höllenjahrhundert 2100 nicht einmal unsere Kinder erleben werden.
Unsere Generation des ausgehenden 20. Jahrhunderts kann aber schon einmal das sich Schämen vor den noch ungeborenen Enkeln üben. Die leben nah 2100 nämlich (hoffentlich) noch.
gut dargestellt und frei nach Nietsche ein Ziel verfolgen erzeugt Sinn
Hallo ich bin Barbara aus Salzburg, ich bin sehr beeindruckt von der Lebensweise es erinnert mich an meine Kindheit, wir sind auch auf diesem Weg. meine Freundinnen und ich haben seit vorigem Jahr ein Gemeinschaftsprojekt mit Gemeinschaftsgarten, nachhaltig Leben, Selbstversorgung….etc. gestartet. Ich möchte eine Jurte am Bauernhof meiner Freunde aufstellen, und hätte eine Frage zum Fundament damit ich mich vorerst bei der Gemeinde erkundigen kann ob es erlaubt ist. Wie sieht das Fundament Eurer Jurte aus ich freu mich über eine Rückmeldung
Vielen Dank im Voraus! Schöne Grüße aus Salzburg
Aus Rubinienpfählen oder Steine in Schotter 🙂