Eis wird zur dominanten Farbe. Der Polfilter unterstreicht den Effekt.

Es ist der bislang kälteste Tag des Jahres. Raureif liegt hinter dem Nebel über dem Land. Stille. Und nur zu den Stoßzeiten oben an der Straße ein verhaltenes akustisches Auflehnen gegen die Bewegungslosigkeit und den Frost. Die schon vor sechs Uhr beginnende Arbeitsroutine der anderen.

Viele Leute scheinen auch aus dem Bayreuther Umland bis hinter Nürnberg zu pendeln.

Minus fünf Grad draußen und drinnen immer mal wieder ein Blick auf das Topfdeckelthermometer, das im Regal in der mittleren Jurte liegt und das unser einziger objektiver Indikator über die An- und Unannehmlichkeiten des Jurtenlebens im Winter ist. Fällt es unter 20°, kann man schon mal nachlegen bzw. neu einheizen. (In den Außenjurten ist es dann drei bis vier Grad kälter.) An Tagen wie diesem brennt der Ofen zwar nicht ununterbrochen, aber doch die meiste Zeit. Nach einer minus-zehn-Grad-Nacht, fällt das Thermometer in den frühen Morgenstunden schon mal unter zehn Grad.

Zweimal habe ich für die erste Viertelstunde des Tages bislang eine Jacke angezogen. Einmal habe ich sie am Ofen verbrannt, weil man auch Hitze durch eine dicke Schicht Daunen nicht spürt.

Es hat eben seine Vorteile in engerem Kontakt zu seiner Umgebung zu stehen. Auch für die Nachhaltigkeit einer Daunenjacke im Angesicht eines Heatrisers (Wärmetauscher des Raketenofens), der aufgrund der darunter stattfindenden Rauchgasverbrennung mehrere hundert Grad heiß werden kann.

Die meiste Zeit ist es aufgrund dieses schwarzen Strahlungszylinders dann auch eher 25 bis 30 Grad warm. Die Kinder liegen zum Hausaufgaben machen auf dem Boden, tragen nur sporadisch Socken und auch an meinem Arbeitsplatz in der Elternjurte ist es höchstens morgens etwas frisch an der „Maus-Hand“. Wir bewegen uns bei etwa einem Fünftel des Durchschnittsheizverbrauches pro vierköpfigen Haushalt des Landes – also in etwa dem doppelten eines Passivhauses. (Wohnen aber an einem der kältesten Orte der Republik.) Außerdem atmet unsere Gebäudehaut und es gibt einen Versammlungsort, an dem es über 18° warm ist. (Nichts gegen Passivhäuser, aber es gibt andere Wege zur einer nachhaltigen Heizbilanz. Und die anregende Funktion von Abwechslung auf unseren Körper und unsere Psyche, auch in Sachen Raumtemperatur, wird gerne unterschätzt.)

Alles in allem ist es verglichen mit dem ersten Jurtenwinter vor fünf Jahren in der Schweiz der reinste Luxus bei mehr als doppelter Fläche, im Schnitt eher 10 Grad mehr und ca. 50% weniger Heizbedarf. Damals fror es einige Male beinahe in der Früh. Im Inneren. Und nach einer Nacht mit vier Menschen im Raum, wohlgemerkt.

13cm Dämmung jetzt vs. nur 2cm in unserer gekauften Schweizer Jurte sind eben doch ein Unterschied wie Tag und Nacht.

Wird es jetzt tagsüber sonnig, kann man schon bei null Grad das Heizen sein lassen. Und sich in die tief stehende Sonne aufs Sofa legen.

Die Katze ist dann auch schon da.

Siurana in action.

Sonnig war es in diesem Winter allerdings noch nicht besonders viel. Die Bauart unserer Triple-Jurten geht also gewissermaßen als Fehlkalkulation für den Standort Franken durch. Als bis vor einem Jahr ständiger Bewohner des Alpenrandes hatte ich ein Bild von den dunklen Jahreszeiten, in dem es sich trotz aller Dunkelheit lohnt, Sonnenenergie von draußen durch Fensterflächen einzufangen. Muss man an allen föhnigen und sich nicht im Nebel befindenen Wintertagen nur die Hälfte Holz in die Rakete (den Raketenofen) stecken, kommt da auf jeden Fall einiges an Einsparpotenzial zusammen.

So halt nur weniger.

Natürlich wusste ich, dass die Sonnenstunden eher im fränkischen Sommer zusammenkommen, und klar wird der Winter überall matschiger. Aber vor allem November und Dezember waren schon einmal ein recht extremer Jurtenwohntest was Regen, Schlamm und die tägliche Dosis Grau anbelangt. Man verschiebt das Interesse dann nach drinnen. Und versteht besser, warum die Römer ihre Stunden im Winter verkürzt haben, um sie an das knappere Tageslicht anzupassen und mehr Schlaf und Erholung zu bekommen.

Es ist die Zeit der natürlichen Regenation, die im Zuge der industriellen Revolution weitestgehend eingestampft wurde. So wie auch die übliche Siesta damals der Stechuhr zum Opfer fiel. Um 30% stieg damit das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen der betroffenen Arbeiter.

Das Streben nach einem prosperierendem BIP machte damals noch mehr als heute viele krank und ein paar wenige reich. Alles für den Fortschritt.

Besonders auch jener der Maschinen. Ständiges Fortschreiten der Produktion und größtmögliche Auslastung nahmen den normalen Menschen im Getriebe die Möglichkeit zur individuellen Taktung weitestgehend. Was bis heute so geblieben ist.

Wir zahlen dafür entweder mit unserer eigenen Gesundheit oder im besseren Fall nur über die solidarische Krankenversicherung für den Verschleiß unserer Mitbürger.

In Wochen wie diesen wird es mir aber auch schon grenzwertig viel mit der nichtkörperlichen Arbeit im Inneren und sobald die Milde durch das weiße Band aus Frost tritt, die Sonne gar, kann ich mich vor Tatendrang dann kaum noch halten. Im ersten Schönwetterfenster des neuen Jahres baue ich eine Boulderwand (besser gesagt zwei) – das mit dem Winterklettern ist in der Fränkischen leider nicht gerade ein Selbstläufer. Damit wäre der Trainingsrückstand allerdings hoffentlich geregelt.

Zur Kälte gesellt sich Ende Januar ein Orkan und zwingt uns wieder nach drinnen. Nur die nötigsten Verrichtungen in den Außenbereich werden nicht aufgeschoben. Notdurft, der Weg zum Auto, Holz hacken, Hühner versorgen. Unsere Mitbewohner besuchen.

Kommen Tage mit Frost, gilt es die Wasserleitung zu entleeren und dann wieder anzustellen. Käme mehr als eine Woche echte Kälte – was bislang nicht der Fall war – müssten wir auch das Wasser vom Haus zur Jurte tragen. Oder mehr als unsere 90l für Trinken, Kochen, Spülen und Waschen (ohne Kleidung), die wir wöchentlich etwa brauchen, vorhalten.

Der oben angesprochene Orkan nötigt uns zudem, Postkarten, Kinderbilder oder Nagelfeilen, die wir unter die Dachstangen gesteckt haben, wieder einzusammeln. Denn obschon wir sehr geschützt stehen und unsere Jurten eher Panzer als Blätter im Wind sind – bei leichteren Zeltbauten ist im Sturm mitunter höchste Vorsicht geboten – rüttelt es in den stärksten Böen doch gerne ein wenig. Die Katze schaut dann erschreckt. Die Kinder schon nicht mehr.

Sie haben weder Angst vor dem Sturm. Noch vor der Kälte. Noch vor der Dunkelheit. Noch vor den Tieren des Waldes, die von oben kommen, wo die Eichen rauschen und die unsere Hühner fressen. Drei haben sie über Weihnachten erwischt. Erst seitdem wir wieder in den Jurten sind, die zwischen Wald und Hühnerstall stehen, gibt es keine Verluste mehr.

Auch weil die Hühner viel klüger sind, als sie gemeinhin scheinen. Einmal werden sie von einem Bussard oder Milan angegriffen – in der Folge sitzen sie stets unter Bäumen oder in einem der Wäldchen im Garten. Ihre Antwort auf die Fuchs-oder-Marder-Toten unter ihnen: Rückzug nach unten ins Tal und näher zu den schützenden Häusern hin. (Nicht allen Nachbarn sind leider ausgemachte Federvieh-Fans. Die sollen doch bitteschön in ihren Batterien bleiben!)

Da denkt man, 2,5ha reichen aus und dann sitzen sie auf den 50fach kleineren Parzellen nebenan.

Wir werden sie einsperren müssen!

(Zusammen mit den Alpakas.)

Aber das sind posthivernale Träume. Bis der Boden weder pfahlbar wird, lauschen wir dem Ofen, dem Wind und dem Geräusch von Stiefeln im Matsch.

Und versuchen die Hühnerschar mit dem Begriff der Grundstücksgrenze vertraut zu machen.

Dornen oder Pailetten – Die Bedeutung von Frost liegt im Auge des Betrachters.

One thought on “Wintercheck – Eindrücke aus der vermeintlich harten Jurten-Jahreszeit”

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